Ausbau der Donau Als Requisit eines romantischen Landschaftsideals bietet die Donau die ideale Vorlage für touristische Bewerbungen angrenzender Ausflugsziele und Ferienregionen. Dass Ausdrücke wie „die prachtvolle Königin der Flüsse“ die bittere Realität dieses Gewässers nicht ganz treffen wollen, wird dem wohlmeinenden Blick des Reisenden auf verträumte Landschaften und idyllische Donaustädte wohl meist entgehen. Schauen wir uns den schwäbischen Teil der Donau einmal genauer an und zwar auf der offiziellen Kartierung der Gewässerstruktur der Fließgewässer in Baden Württemberg. Bereits die beiden Quellflüsse, Breg und Brigach, gelten als deutlich verändert. Nach dem Zusammenfluss dieser Bäche zur Donau dominiert die Farbe rot. Rot ist die schlechteste Zustandsklasse und wird folgendermaßen definiert: Die Gewässerstruktur ist durch die Kombination von Eingriffen z.B. in die Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder durch die Nutzungen in der Aue stark beeinträchtigt bzw. vollständig verändert. Dies muss nicht weiter kommentiert werden. Tatsächlich sind nur kurze Flussabschnitte der oberen Donau zwischen Fridingen und Sigmaringen, dem berühmten Donaudurchbruch, und zwischen Zwiefaltendorf und Munderkingen als unverändert bis mäßig verbaut klassifiziert. Ab Ehingen wird der Fluss dann unwiderruflich aus seinem natürlichen Bett in eine Rinne gezwängt, die er bis zum Donaudurchbruch bei Weltenburg nicht wieder verlassen darf. Vor Ort sieht das dann so aus: Dämme bilden die Leitlinien eines am Reißbrett entworfenen Kanals mit einer Kette von Stauwerken und Querverbauungen, ohne Spuren eines natürlichen Flusslaufes. Das Stauwerk von Faimingen gibt Fischwanderungen keine Chance
Ursprünglich folgte die Donau je nach natürlichem Gefälle und Breite der Talsohle einem mäandrierenden Verlauf. Aufteilungen in Haupt- und Nebenströme mit regelmäßigen Veränderungen des Wasserlaufes waren in den flachen Riedgebieten die Regel. Bei Schneeschmelze und nach Starkregenfällen trat der Fluss oft mehrfach im Jahr über die Ufer und überschwemmte häufig den gesamten Talraum auf mehreren Kilometern Breite. Auf diese Weise konnte sich entlang des Flusses bis in das 19. Jahrhundert eine von Menschen weitgehend unberührte Wildnis aus Auwäldern, Niedermooren, Sand- und Kiesbänken, Altarmen, Bächen und Feuchtwiesen erhalten, wie man sie heute nur noch an wenigen Flüssen Europas findet. Selbstverständlich wurden diese Regionen auch von Menschen genutzt, z.B. als Viehweide, zur Brennholz- und Torfgewinnung oder für Jagd und Fischerei. Auch wurden am Oberlauf Wassermühlen und damit erste, kleinere Wehre errichtet. Diese Eingriffe waren aber immer zeitlich und räumlich begrenzt, ohne die natürlichen Strukturen der Landschaft nachhaltig zu zerstören. Der Fluss selbst wurde ab der Einmündung der wasserreichen Iller als Handelsweg genutzt. Ulm war bis 1896 ein wichtiger Umschlagplatz für den Donauhandel mit flussabwärts fahrenden Booten, die als Zillen oder auch spöttisch als „Ulmer Schachteln“ bekannt waren. Heute markiert die Einmündung des Rhein-Main-Donau-Kanals bei Weltenburg den Beginn der Bundeswasserstrasse. Die Umgestaltung Donau hatte eine Vielzahl von Gründen, deren Bedeutung sich im Laufe der Zeit änderte. Aus einem Anstieg der Bevölkerungszahl und gleichzeitigem Autarkiebestreben entstand im 19. Jahrhundert der Wunsch nach der Gewinnung von Siedlungsraum und landwirtschaftlichen Nutzflächen. Diese Politik beschleunigte in weiten Teilen Deutschlands die Trockenlegung von Mooren, die Rodung von Waldgebieten oder die Urbarmachung von Heiden und anderen sogenannten Ödländern. Entlang der Donau konzentrierte man diese innere Kolonisation auf die bislang kaum bewirtschafteten Riedbereiche im eiszeitlichen Urstromtal diese Flusses zwischen Ulm und Ingolstadt. Die tiefgreifende Umwandlung des weitgehend natürlichen Flusslaufes in einen Kanal begann Anfang des 19. Jahrhunderts mit der als Donaukorrektur bezeichneten Begradigung des Flusslaufes im Donauried zwischen Neu-Ulm und Donauwörth, ein Vorhaben, das 1867 weitgehend abgeschlossen war.
Ein Blick über das Donauried zeigt die vielfältige landwirtschaftliche und industrielle Nutzung entlang der Donau. Im Hintergrund die Kühltürme des Kernkraftwerkes Grundremmingen. Diese Region war noch vor 200 Jahren eine fast vollständig unbewohnte Wildnis. Erfreulicherweise blieb hier aber auch ein beträchtlicher Teil der natürlichen Hartholzaue erhalten.
Ein historisch wichtiges Ziel war auch der Ausbau der Donau als Wasserstraße. Diese Planung erwies sich aber mit der Eröffnung der Eisenbahn von Ulm nach Regensburg am 1. Juni 1874 als überflüssig. Die zunehmenden wirtschaftlichen Aktivitäten in flussnahen Bereichen erforderten in ihrer Folge die Errichtung und stetige Verbesserung des Hochwasserschutzes, was auch die Einbeziehung der Zuflüsse in diese Maßnahmen erforderlich machte. Die Begradigung und Einengung des Wasserkörpers führte allerdings zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und damit zu einer Vertiefung des Flussbettes. Die daraus resultierende Absenkung des Grundwasserspiegels war für die Drainage und Urbarmachung der angrenzenden Feuchtflächen durchaus erwünscht, fiel aber in manchen Regionen so drastisch aus, dass die landwirtschaftliche Nutzung nun sogar durch Wassermangel in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wieder wurde Großtechnik eingesetzt, um die negativen Konsequenzen früherer Eingriffe in den Griff zu bekommen. Die 1960 begonnene Errichtung einer mittlerweile ununterbrochenen Kette von Querverbauungen sollte nun die Wasserführung der Donau stabilisieren. Gleichzeitig dienen diese Stauwerke der Energiegewinnung, der Kühlung des Kernkraftwerkes Grundremmingen sowie der Regulation der Pegelstände des schiffbaren Abschnittes der Donau ab der Einmündung des Rhein-Main-Donau-Kanals.
Betonarmierte Dämme zerstören jede natürliche Uferstruktur und verhindern jeden Kontakt mit dem angrenzenden Auwald.
|
Nur noch an wenigen Stellen des Oberlaufes, wie hier bei Zell, fließt die Donau frei und ohne künstliche Hindernisse. Altarme dienen als Laichgewässer und geben Raum für die Entwicklung einer Weichholzaue.
Die Kanalisierung der Donau hat einen dramatischen Einfluss auf die Ökologie des Flusses und seiner angrenzenden Biotope. Durch die Begradigung von Flusswindungen wurde der Wechsel von Steilhängen und Kiesbänken und von Ruhigwasser- und Fließzonen unterbunden. Die Wasserflora verarmte, weite Bereiche der Ufervegetation verschwanden und mit diesen unzählige Tierarten von Schnecken, Muscheln, Wasserinsekten und Krebsen bis hin zu Fischen und Vögeln. Die Eindämmungen entlang des Flusses entkoppelte die ufernahen Wälder und Wiesen vom Rhythmus der regelmäßigen Überschwemmungen. Altarme wurden isoliert und verloren, wenn sie nicht ohnehin verfüllt wurden, ihre Bedeutung als Laichgewässer für Donaufische. Unüberwindliche Sperrwerke verhindern den Austausch von Wasserbewohnern, ziehende Fischarten starben aus. Die unmittelbar am Wasser stehende Weichholzaue, bestehend aus überschwemmungsresistenten Weiden und Erlen, verschwand fast vollkommen. Der Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt ist gewaltig. Die viel besungene ist in weiten Bereichen zu einem biologisch verarmten Gewässer in einer weitgehend vom Fluss abgekoppelten Landschaft verkommen. Eine Umkehr dieses Prozesses ist unrealistisch. Erhalt und biologische Aufwertung von noch bestehenden Lebensräumen im Einzugsbereich der Donau, besonders der Auwälder und noch unzerstörter Nebenflüsse, ist das Gebot der Stunde.
Der Flussuferläufer benötigt Kies- und Schlammbänke. Er brütet daher nur noch an wenigen Stellen der entlang der oberen Donau. Der Flussregenpfeifer, einst an der gesamten Donau weit verbreitet, begnügt sich auch mit Ersatzlebensräumen, wie Kiesgruben und Industriebrachen.
|